von Philipp Sonntag | Schriftsteller
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Geheimdienst

Unerforscht ist 2013, unter welchen Umständen bei Geheimdiensten der Nutzen oder der Schaden überwiegt. Ab einem gewissen Umfang des Geheimdienstes überwiegt der Schaden vermutlich immer. Bei den üblichen, ideologisierten Vorgaben von Geheimdiensten ist ein Nutzen kaum noch möglich.
Feindbilder sind oft willkürlich und somit absurd. Wer sie so einfach wie möglich ohne Geheimdienst bekämpft, lässt sich gar nicht erst auf ihre Absurdität ein. Ein gesunder Mensch kann einer Provokation entschlossen entgegentreten. Eine wache Familie, Firma, ein Sportverein weist Mobbing zurück, sobald es auffällig wird. Eine aufmerksame Firma hat eine Spionageabwehr, die sie teils kostenlos im Internet downloaden kann. Sie bezahlt ihren Managern ein so normales Gehalt, dass es auffallen würde, sobald einer von denen einen roten Ferrari auf den Firmenparkplatz stellt.

Der demokratische Staat wird von seinen Bürgern demokratisch kritisiert. Im reflex seiner Abwehr baut der Staat mühsam seine Geheimdienste auf, mit immer neuen Misstrauensanfällen. Indem der Staat instinktiv seine eigene Bevölkerung als naheliegenden Feind verdächtigt, bringt er eben dieses Feindbild selbst überhaupt erst richtig in Gang. Bei innerem Widerstand vermutet er noch dazu äußere Feinde.
Um Feindbilder amtlich zu pflegen, wurde der Stempel „geheim" erfunden. Der Politiker wünscht Sicherheit. Die chronische Linderung von Mistrauen züchtet nur immer mehr Mistrauen und Geheimdienste. Kalte Krieger schließen von sich auf andere und erfanden die „Abschreckung" und begannen den gefährlichen Rüstungswettlauf. Der beste Geheimdienst kann aber auch nicht herausfinden, was der Ingenieur oder Soldat des Gegners in aller Regel auch nicht weiß: Was alles mit den modernen Waffen in verschiedenen Kriegen geschehen könnte. Die Trefferwahrscheinlichkeiten von Abwehrraketen gegen angreifende Raketen sind unbekannt, allein schon wegen unbekannter Kriegsumstände. Abschreckung ist weder technisch, noch strategisch, noch politisch steuerbar.

Mit Antiterrorismus züchten kalte Krieger den Terrorismus.  
Ganz natürlich würde die Bevölkerung über Tourismus, Internet usw. das Gegenteil von Abschreckung, nämlich Zuwendung aufbauen. Ausnahme ist die (ins-)„geheim aufgebauschte" Angst um Arbeitsplätze. Dabei ist Arbeit, wie schon in biblischen Zeiten bemerkt, ein Fluch. Mehr und mehr könnten alle in Wohlstand und Frieden leben, nachdem längst die Automation (fast) alles erledigen kann. Immer weniger erforderliche Arbeitsplätze wären eigentlich ein Segen. Indem jedoch Arbeitslosigkeit mit Elend verbunden ist, entsteht ein unnötiger Druck auf die Arbeitnehmer.

Politisch provozierte globale Nachfrage nach Waffen lässt Arbeitsplätze für deren Herstellung entstehen, ein bereits im Ansatz krimineller Vorgang. Entsprechend ist es ein Gewohnheitsrecht der Geheimdienste geworden, gesetzlich verbotene Waffenexporte dennoch zu ermöglichen. In Europa kämpfen so Geheimdienste verzweifelt gegen fortschrittliche Bevölkerungen an. Im Grunde ist es in Europa bereits weitgehend möglich, sozusagen „die Kriege durch Fußballländerspiele zu ersetzen". Unter diesem Aspekt kann man die Randale in Fußballstadien milde betrachten.

Eine dekadente Gesellschaft bezahlt „Problemologen", die davon leben, nur ja keine Lösungen zu finden. Diese „Experten" lehnen instinktiv den kafkaesk geschulten Blick ab, um nur ja nicht herauszufinden: Kein Mensch, keine Familie, Firma oder sonstige Institution bis hin zum Staat braucht einen Geheimdienst. Dieser „Dienst" erzeugt mehr Mistrauen und Gefahren, als er beseitigt. Ausnahme: Es gibt einen Gegner mit einem ausufernden, wuchernden Geheimdienst und ein Minimum an eigener Gefahrenabwehr muss vorübergehend sein.

@ Philipp Sonntag 2024
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