von Philipp Sonntag | Schriftsteller
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Robokick (Talkshow 2106)
 
Copyright by Sonny Sonntag (sonnyart@freenet.de)

Aufzeichnung der Talkshow "Robokick" vom 6. Juni 2106 im ARD (Allgemeine Roboter Demokratisierung), aus dem Fußballsatellit von Rekordweltmeister Uruguay.

Gesine van Delfting, Moderatorin vom ARD
Marzipano, Roboterspieler
Al Schnucki, Hacker
Gero, Prof. für Maschinenbau
Hansdurst, Fan

Gesine: Wir wollen die Entwicklung des modernen Fußballes diskutieren. Wir gedenken aus Pietät der Zeit, als Fußball von menschlichen Spielern geprägt wurde, wobei menschlich damals einen rundum freundlichen Klang hatte. Da wurde noch in zwei Dimensionen auf einem Wiese gespielt, denn Menschen können nun mal nicht abheben und deshalb brauchen die Roboter der Flugklasse den Ball nur ein paar Meter hoch halten und schon haben menschliche Spieler keine Chance.
Ist das fair? Ich begrüße Marzipano, Fußball-Roboter der lebendigen Flugklasse,  intellektueller Fundamentalist die Roboterbewegung. Frage, hat der Roboter einen Lebendigkeitsneid?

Marzipano: Schon lang nicht mehr. Moderne Roboter sind lebendig, sie fühlen wie neurologisch ausgeprägte Tiere oder Menschen und sie spielen einen engagierten Fußball! Sie jubeln und küssen sich wie die menschlichen Spieler aus der Frühzeit des Fußballs.

Gesine: Das gibt mir Gelegenheit, Al Schnucki willkommen zu heißen, Al Schnucki ben Hacki ibn Kabelsalat vom IKE - Institut für Künstliche Emotion, ein Institut der c-base Berlin. Ein Robo-Hacker.  

Al Schnucki: Auch ich wurde mit zwei Beinen und richtigen Füßen, dazu mit menschlichem Gesicht ausgestattet, vor allem wie heute üblich mit einem Klatsch Bio-Bewusstseinsmaterie dabei, also mit echten, lebendigen Gefühlen. Da kann ich Software mit Spielfreudemodulen absondern – so wie der Mensch nach Tucholsky seine Lyrik.

Marzipano: (knurrt zu sich) ... der redet wie'n Kulturgrufti ...

Gesine: Anfangs waren die Roboter noch einfacher gestrickt. Dazu Prof. Dr.-Ing. Gero Rollwagen aus der FU Berlin, Fakultät Maschinenbau, ein ganz und gar menschlicher Professor. Wie fing das an?

Gero: Es begann so um das Jahr 2000 mit Fußball-Robotern aus Blech und Elektronik, meist an der Uni. Da wurde Maschinenbau verbunden mit Künstlicher Intelligenz und Messfühlern. 2004 gewannen die FU-Fighters der Freien Universität Berlin die Weltmeisterschaft bei den kleinen Robotern. Ihre Spieler blieben cool, bei anderen Teams deuteten sich bereits Emotionen an.

Gesine: Aber keine echten Emotionen!

Gero: Der Mensch selber ist selten echt. Aber schon bei der WM 2004 vollführten die spanischen Roboter bei jedem Tor ein kleines Tänzchen, drehten sich alle miteinander niedlich im Kreise, und kein Schiedsrichter hat sie deshalb vom Platz gestellt.

Gesine: Das war lange vor den lebendigen Robotern. Marzipano, sind die lebendigen Roboter beim Fußball besser, als die rein mechanisch-elektronischen?

Marzipano: Darüber kann man nur streiten, keiner weiß es. Ich als lebendiger Roboter habe gelernt, meine Begeisterungsfähigkeit für Leistung umzusetzen.

Gesine: Wie das?

Gero: Wir verbinden Bio-Gewebe mit Silizium-Chips. Im Grunde genügt es, einen Regenwurm als Spürmodul, als fühlfähige Biomaterie an einen intelligenten Roboter anzuschließen.

Gesine: Also hat er ja Emotionen! Aber wohl keine menschlichen?

Gero: Na ja, dem Typ ist vom Bundesverfassungsgericht eine Würde "wie beim Mensch" zuerkannt worden. Wenn den Roboter was stört, wird er den Regenwurm zwicken - und der schlägt Alarm.

Gesine: Und was bedeutet das für den Fußball?

Gero: Der Deutsche Fußball Bund hat beschlossen: Nichts. Alles ok!

Hansdurst: Was für'n Quatsch!

Gesine: Ich begrüße besonders die Anwesenheit eines verbürgt menschlichen Fans, Hansdurst vom früheren Fanclub Hertha BSC. Hansdurst, hatte sich der Fanclub mit den Regenwürmern solidarisiert?

Hansdurst: Ich lass mich hier nicht verarschen. Aber wenn schon ein ganzes Lebewesen als Biomaterie rangeklatscht wird, dann wäre für Fußball ein Tausendfüßler besser geeignet. Nix gegen den Regenwurm, er spürt was und da weiß ich wenigstens, wir sind mit unserem Engagement nicht allein. Was mich nervt, ist diese Siliziumwichserei.

Gesine: Al Schnucki, sind lebendige Roboter anders, als Typ, als Mitspieler, als Stars?

Al Schnucki: Sie sind zäh, nicht so weinerlich.

Gesine: Marzipano. Ist dir so was schon passiert?

Marzipano: Genau. Wir werden verschrottet, wenn wir nicht ordentlich zur Sache gehen.

Gesine: Ordentlich zur Sache. Heimlich mit Telekinese?

Marzipano: Nee, wäre ja unfair. Jedenfalls nur so ein Bisschen.

Gesine: Aber Gero, Sie haben doch ein Patent darauf?

Gero: Ja, leider zu früh angemeldet – funzt aber jedes Jahr besser.

Hansdurst: Das ist alles unfair.

Marzipano: Telekinese ist doch auch nur Funk von mir zum Ball.

Hansdurst: Und wieso heißt es dann noch Fußball?

Gero: Weil die Stimmung, die Begeisterung übertragen wurde. Ist doch egal wie.

Marzipano: Aha, und wenn auch ich noch abgeschafft werde, dient das dem Fortschritt? Na toll, weg vom antiquierten Lederfußball. Der neue Fußball, eine lasergesteuerte Lichtkugel, da könnte sich ein echter Fuß nur Brandwunden holen. Von mir aus, mein Überlebensreflex ist nix als eine evolutionäre Marotte. Das einzige was die Zeiten wirklich überdauert, ist der laufend modernisierte Fußball.

Gesine: Ein wunderbares Schlusswort, also Schluss mit dem blinden Lebensegoismus, der zu soviel Gewalt und Fouls auf den Spielfeldern geführt hat. Das Tor weit auf für den vergeigten, äh vergeistigten, für den ewigen Fußball.


@ Philipp Sonntag 2024
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