von Philipp Sonntag | Schriftsteller
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Geistiger Terrorist

Der Begriff fehlt nicht nur in der Soziologie, sondern auch in Wikipedia. Auf www.zeit.de/politik/deutschland/2012-11/streitkultur-politik-debatten-zeitzeugen steht immerhin:
Herbert Wehner war stinksauer. An diesem 13. März 1975 wurde im Bundestag der RAF-Terrorismus debattiert, es ging um den bis dahin schärfsten Angriff auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik. Die Fronten waren verhärtet. Die Union unterstelle allen Linken, zum "Dunstkreis" der RAF zu gehören, grollte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Dann schleuderte er dem CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß einen Satz entgegen, der in die Parlamentsgeschichte eingehen sollte: "Das ist alles, was Sie am Kampf gegen den Terrorismus interessiert; denn Sie sind selber geistig Terrorist!"

Tatsächlich hat jeder Mensch von Natur aus einen Impuls in Richtung geistiger Terrorist. Er muss auf Angriffe reagieren, aber es ist ihm lästig. Er malt sich genüsslich aus, wie er Störenfriede aller Art übers Knie legt und verdrischt. Wer sich das nicht traut, ist bereits geistig terrorisiert. Wer dem inneren geistigen Terror nachgibt, kann zum Terrorist gemacht werden. Besser wäre, wenn der Mensch bei einem Angriff schaffen würde, damit diplomatisch, vorsichtig umzugehen. Viele Tiere schaffen das locker in ihrem Alltag. Psychologen meinen gerne: „Man kann die eigenen Impulse sublimieren, verfeinern".

Die meisten Reaktionen sind harmlos, ein Beispiel, meine Tante Lore sagte bei ihren spontanen Impulsen auf Störenfriede:

Ich wünsche dir einen Kopf voller Läuse und so kurze Arme, dass du dich nicht kratzen kannst.
Ganz anders der Wirkungstäter. Er sublimiert die gefährlichen Antriebe zu maximaler Schadenswirkung. Was ihm fehlt, ist ein kafkaesk geschulter Blick im Sinne des Bibelwortes: Die Selbstgerechten begehen die größten Sünden.


@ Philipp Sonntag 2024
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